Vermeidung von Schmerz

23.7.2015

Normalerweise versuchen wir, Schmerz zu vermeiden. Körperlich erreichen wir dies über verschiedene Strategien. Wir ziehen die Hand beispielsweise ruckartig zurück, wenn unsere Nerven Schmerz spüren. Oder wir verspannen Bereiche des Körpers, wenn wir bewusst oder unbewusst mit Schmerz rechnen oder diesen bereits erleben. Daher ist es nur verständlich, dass wir auch seelisch versuchen, dem Schmerz zu entwischen. 

Allerdings gehen wir damit einen gefährlichen Handel ein. Denn seelischer Schmerz gehört zum Leben. Nicht ständig, aber immer wieder. Leben bedeutet Veränderung, Neuanfang und Abschied. Und wenn wir das Alte liebgewonnen haben, bedeutet Veränderung Schmerz. Tatsächlich halten viele Menschen an Altem fest (Beziehungen, Arbeit, Wohnort, u.ä.), auch denn damit viel Stress verbunden ist. Aus Angst vor Veränderung, Schmerz, Unsicherheit. Wollen wir also seelischen Schmerz aus unserem Leben verbannen, zahlen wir den Preis der Erstarrung. Aus Unwissenheit, wie mit Schmerz konstruktive umzugehen, bezahlen viele Menschen den Preis freimütig.

Es gibt glücklicherweise eine Betrachtungsmöglichkeit, die den Schmerz erträglicher macht. Wenn wir untersuchen, wie Schmerz bei Verlust zustande kommt, finden wir ohne grosse Anstrengung, dass Liebe die Ursache davon ist. Egal ob wir einen Menschen, ein Tier, eine Arbeitstelle oder einen Wohnort vermissen, wir müssen das Vermisste erst geliebt haben, um bei dessen Wegfallen Schmerz zu empfinden. Somit können wir uns darin trainieren, wenn immer Schmerz in unserem Bewusstsein über den erlebten Verlust auftaucht, an die uns verbindende Liebe zu denken. Und uns erlauben, die Liebe und den damit verknüpften Schmerz erleben zu dürfen.

Weitere Überlegungen helfen uns bei der Integration des Schmerzes. Da die Liebe die Ursache von Schmerz ist, wird der Schmerz immer schwächer als die Liebe selbst sein. Das kann jede/r bei sich selbst nachkontrollieren: Sobald die Liebe geringer wird, ist auch der Schmerz schwächer. Umgekehrt muss es jedoch nicht so sein. Die Liebe kann auch nach dem Verlust sogar wachsen, da sie bewusster erlebt wird. Durch Trauerarbeit wird Schmerz mit der Zeit tatsächlich kleiner, da besser integriert. Während Liebe bestehen bleibt.

Liebe ist die Ursache von Schmerz, besteht vorher und nachher. Liebe kann weiterhin wachsen, während dem Schmerz durch Trauer- oder Integrations-Arbeit schwächer wird.